100 Jahre Albert Schweitzer in Afrika
Eine europäisch-afrikanische Annäherung mit Darstellern aus beiden Kontinenten,
Orgel und Trommeln
Mit diesem Projekt gedenkt Theater&Philharmonie Thüringen des Friedensnobelpreisträgers Albert Schweitzer, der vor 100 Jahren sein Urwaldhospital in Afrika gründete. Die Philosophie des Theologen, Arztes und Organisten Schweitzer war von der Ehrfurcht vor dem Leben geprägt. Afrikanisches Erzähltheater und die Musik Bachs und Mendelssohns werden zu einer Aufführung verwoben, die die Radikalität der Forderung Schweitzers, „alles Leben zu achten, natürlich das von Tieren und auch das von Pflanzen“ aufzeigt und ahnen lässt, welche einfachen Möglichkeiten es gäbe, der empörenden Ungerechtigkeit in dieser Welt zu begegnen. In Anlehnung an den kirchlichen Wechselgesang werden Darsteller und Publikum gemeinsam die Aufführung des Abends entwickeln.
Die Uraufführung ist am 16. Januar 2013 um 18.00 Uhr in der Brüderkirche Altenburg. Im Konzertsaal der Bühnen der Stadt Gera ist die Produktion am 22. Januar um 19.30 Uhr zu erleben. Außerdem geht sie auf Gastspielreise durch ganz Deutschland: so am 20. Januar 17.00 Uhr in die Pauluskirche Darmstadt, am 26. Januar 19.30 Uhr in die Augustinerkirche Würzburg und am 27. Januar 15.30 in die Wallfahrtsbasilika Werl.
Für Oktober ist eine Serie in Planung, die nach Offenburg, Ravensburg, Überlingen und Bad Endorf führen soll.
Konzeption und Idee entwickelten der Musiker Ulrich Pakusch und Bernhard Stengele, Schauspieldirektor von Theater&Philharmonie Thüringen, gemeinsam. Ulrich Pakusch an der Orgel übernimmt auch die musikalische Leitung und Bernhard Stengele die Regie. Es wirken mit: Rachelle Emanuella Rasmata Ouedraogo, Philipp Reinheimer, Mahamoudou Tapsoba, Ouelgo Téné und Bernhard Stengele.
Hintergrund:
Ohne Übertreibung kann man sagen, dass Albert Schweitzer eine der wichtigsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts war. Eine Persönlichkeit, und darin ist er Mahatma Gandhi gleich, die ihre Philosophie in konkrete Handlung umzusetzen und umgekehrt die eigenen Erfahrungen immer wieder in das philosophische Weltbild einzuarbeiten suchte.
Als überzeugter Humanist und Pazifist wurde er sowohl geehrt als auch angegriffen, war sein Leben Vorbild und Kritikpunkt zugleich. Als Organist war er ebenso anerkannt wie als Musikwissenschaftler, mit seinen Orgelkonzerten verdiente er sich das Geld für sein „Urwaldkrankenhaus“ in Lambarene.
Inhalt:
Dieses gleichermaßen aufregende wie erfüllte Leben zwischen Afrika und Europa, zwischen Philosophie und Tatkraft, zwischen Medizin und Musik wollen die Künstler mit ihrer Produktion erzählen. Erzählen wollen sie es mit den Elementen, die Albert Schweitzer am meisten beeindruckt haben. Auf der einen Seite spielt die Orgel, die Königin der Instrumente, die wie kein anderes europäische Spiritualität verkörpert. Und die Orgel spielt natürlich Bach, sie spielt Mendelssohn. Darüber hinaus aber nimmt Ulrich Pakusch ein in der französischen Orgeltradition wichtiges Element auf, ein Element das gleichzeitig die Verbindung zu Afrika herstellt, nämlich das der Improvisation. So kann der Zuschauer bei der Vorstellung ein jedes Mal ein neu improvisiertes Stück für Djembe, Orgel und Gesang erleben. Auf der anderen Seite spielt der Griot, der westafrikanische Geschichtenerzähler, der traditionelle Bewahrer von Wissen und Kultur. So wird das Leben Schweitzers auch dargestellt mit den Mitteln des afrikanischen Erzähltheaters, das lebendig, direkt und improvisatorisch gespielt, traditionell von Trommelmusik und Tanz begleitet wird und immer auch die Zuschauer mit einbezieht.
So entsteht eine ganz neue Konzert- und Theaterform, eine Form, an der afrikanische und europäische Kollegen mitarbeiten, an der die Zuschauer teilhaben, in der Elemente beider Kontinente zusammen spielen und so eine neues Miteinander kreieren, ein Miteinander das Albert Schweitzer immer propagiert hat und das hier im Jahr 2013 anlässlich seiner ersten Begegnung mit Afrika fortentwickelt wird. Denn diese Idee bedarf der Wiederbelebung und Weiterentwicklung, wir sind nach wie vor nichts anderes als: „Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“
Vorgeschichte:
Die Produktion „100 Jahre Albert Schweitzer in Afrika“ folgt einem von Bernhard Stengele initiierten Theaterprojekt, das als Kooperation des Mainfranken Theaters Würzburg und des Cito Theaters in Ouagadougou, Burkina Faso, realisiert wurde. Bernhard Stengele, damals Schauspieldirektor am Mainfranken Theater, lernte bei einer Produktion einen Schauspieler aus Burkina Faso kennen, kam in Kontakt mit dem Land und entwickelte die Idee für eine Kooperation. Er organisierte 160.000 Euro aus dem Fonds „Wanderlust“ der Bundeskulturstiftung, konnte das Cito Theater in Ouagadougou als Produktionspartner gewinnen und veranstaltete dort zunächst einen Workshop für deutsche und burkinische Schauspieler. Im Oktober 2011 fand im Mainfranken Theater die Uraufführung von „Les funérailles du désert“ statt, ein Stück, das zwei deutsche und ein burkinischer Autor geschrieben haben und das in einzelnen Szenen die Auswirkungen der Globalisierung und des Klimawandels auf das gesellschaftliche, besonders das familiäre Zusammenleben untersucht. Welche Bedeutung hat die Familie in der burkinischen und der deutschen Gesellschaft, worin besteht der laut Verfassung garantierte Schutz? Ist die Auflösung der Familie in Deutschland eine Gefahr, ist das Festhalten an der Familie in Burkina Faso eine Gefahr? Die herausragende Besonderheit der Produktion bestand in der gemeinsamen Erarbeitung: Sieben Schauspieler aus Ouagadougou trafen auf sieben Schauspieler aus Würzburg. So wurde nicht eine mitteleuropäische Theaterästhetik vorgegeben, sondern ein ernsthafter Versuch unternommen, verschiedene Ansätze und Funktionen von Theater zu einer eigenen Form zu vereinigen. Drei Sprachen waren Grundlage dieser Produktion: Deutsch, Französisch und Mooré.
Am 7. Januar 2012 fand die afrikanische Erstaufführung im Cito Theater in Ouagadougou statt, gespielt wurde drei Wochen lang, mittwochs bis samstags.
Bernhard Stengele schreibt zu diesem Projekt: Die Arbeit im Theater ist immer auch die Arbeit an unserem Leben, an unserer Welt, ohne Scheuklappen und Angst vor Identitätsverlust. Die Begegnung mit Künstlern aus der ganzen Welt, die uns verunsichert, beschämt, vor allem aber enorm bereichert, ist die Antwort auf die Globalisierung vor allem durch das Internet. Wo virtuelle Begegnungen weltweit in Sekundenschnelle möglich sind, ist es überlebenswichtig, konkrete Begegnungen herbeizuführen, den Alltag zu erleben, zu lernen, sich zu kennen.
In der Mainpost war zur Würzburger Derniere zu lesen: „Das Mainfranken Theater platzte aus allen Nähten, als am 28. Dezember die deutsch-afrikanische Koproduktion „Les funérailles du désert“ zum letzten Mal in Würzburg aufgeführt wurde. Einige Besucher mussten mit Stehplätzen vorlieb nehmen, etwa 100, die die letzte Chance nutzen wollten, wurden gar nach Hause geschickt… In Würzburg hat „Funérailles“ beim Publikum euphorische Reaktionen hervorgerufen. Bei der letzten Vorstellung applaudierte das Publikum minutenlang mit stehenden Ovationen.“
TEAM
Bernhard Stengele studierte bei Beatrice Camargo in Düsseldorf und bei Monika Pagneux und Philipp Gaullier in Paris. Als Schauspieler kam er 1992 als Ensemblemitglied ans Stadttheater Konstanz und 1996 ans Saarländische Staatstheater nach Saarbrücken, wo er mit Samuel Becketts „Warten auf Godot“ seine erste Regiearbeit präsentierte. 2001 ging er als Schauspieler und Regisseur ans Stadttheater Konstanz zurück. Ab 2004/2005 war er Schauspieldirektor am Mainfranken Theater Würzburg, an dem er über 40 Inszenierungen von Werken u.a. von Beckett, Kane, Shakespeare, Ibsen, Schiller, Büchner, Mozart, Offenbach und Strauss auf die Bühne brachte. Seit Spielzeitbeginn 2012/13 ist Bernhard Stengele Schauspieldirektor von Theater&Philharmonie Thüringen.
Ulrich Pakusch studierte Orgel bei Daniel Roth, Klavier bei Wilhelm Ohmen und Dirigieren bei Max Pommer in Saarbrücken und Frankfurt am Main. Die Teilnahme in der Meisterklasse von Sergiu Celibidache und die Hospitanz bei Lorin Maazel prägten seine künstlerische Laufbahn.
Sein beruflicher Werdegang führte ihn über die Städtischen Bühnen Regensburg, das Pfalztheater Kaiserslautern und das Badische Staatstheater Karlsruhe zum Mainfranken Theater Würzburg, an dem er von 2004 bis 2011 als Studienleiter und Kapellmeister engagiert war.
Daneben übt Ulrich Pakusch eine rege Tätigkeit als Konzertorganist und Liedbegleiter aus. Er gastierte u. a. im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, in der Berliner Philharmonie, in Paris und in der Jack-Singer-Hall Calgary. Liederabende mit dem Bariton Christoph von Weitzel führten ihn u.a. in die Alte Oper Frankfurt, in das Theaterhaus Stuttgart und in die Philharmonie am Gasteig in München. Darüber hinaus ist er musikalischer Leiter der Konzertreihen in der Wallfahrtsbasilika zu Werl (Westfalen) mit einem Umfang von sechs Konzerten im Jahr.
Seit dem Wintersemester 2006/2007 hat Ulrich Pakusch einen Lehrauftrag im Fachbereich Oper an der Hochschule für Musik in Würzburg inne.
Rasmata Rachelle E. Ouedraogo wurde 1973 in Burkina Faso geboren. Nach einem begonnenen Studium der Wirtschaft und Buchhaltung folgten eine Ausbildung zur Schauspielerin am Atelier Théâtre Burkinabé sowie Fortbildungen im Bereich Schauspiel und Tanz. Während ihrer Zeit am ATB war Rachelle Ouedragogo u.a. in Stücken von Aimé Césaire, Wole Soyinka, Moussa Konaté und La Fontaine zu sehen. Im C.I.T.O. Theater in Ouagadougou stand sie unter anderem in Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ als Madame Shin und in Wole Soyinkas „Death and the King’s Horseman“ auf der Bühne. Internationale Tourneen führten sie unter anderem nach Benin, Mali, Niger, Deutschland, Belgien, Frankreich und in die Elfenbeinküste.
Mahamoudou Tapsoba wurde 1970 in Burkina Faso geboren. Der Schauspieler, Sänger, Unterhaltungskünstler und Musiker absolvierte zahlreiche Ausbildungen in Burkina Faso, Europa und in den Maskarenen. Neben seiner schauspielerischen Arbeit am C.I.T.O. Theater in Ouagadougou führten ihn Gastspiele nach Frankreich, Dänemark, Italien und verschiedene afrikanische Staaten. Vor der Kamera stand er unter anderem in „Trois hommes un village“ (2005) und in „Cœur de lion“ (2008). Als Autor und Regisseur inszenierte er mit seiner eigenen Theaterkompanie die Produktionen „Yamwekre“ und „Laafia“ (2007).
Ouelgo Téné wurde 1984 in Burkina Faso geboren. Er lernte Tanz und Schauspiel in Ouagadougou u.a. bei Jo Stromgren und machte 2006 eine Fortbildung zum Clown in Belgien. In der Schweiz sammelte er Erfahrungen im Bereich der Musiktherapie. Nach mehreren Produktionen im Bereich des Kindertheaters mit der Kompanie „Les merveilles du Burkina“ folgten Engagements in Burkina und Belgien, Tourneeauftritte sowie Fernseh- und Filmproduktionen.
Philipp Reinheimer gehört seit Beginn der Spielzeit 2012/13 zum Schauspielensemble von Theater&Philharmonie Thüringen. Nach dem Abitur machte er zunächst als Regie-Hospitant u.a. am Staatstheater Darmstadt und am Stadttheater Konstanz erste Theatererfahrungen. Am Stadttheater Konstanz folgte dann eine Festanstellung als Regieassistent. Erste Bühnenerfahrungen als Darsteller sammelte Philipp Reinheimer in der Opernstatisterie des Mainfranken Theaters Würzburg und in kleineren Rollen in der Sparte Schauspiel. Ab der Spielzeit 2006/2007 lernte und arbeitete er als Schauspiel-Eleve am Mainfranken Theater. Im Dezember 2008 wurde er mit dem Förderpreis des Theaterfördervereins ausgezeichnet. Ab Januar 2009 gehörte Philipp Reinheimer fest zum Schauspielensemble des Mainfranken Theaters. In der Spielzeit 2011/12 war er Teil des Afrikaprojektes „Les funerailles du désert“.